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Irma Hyvärinen

Irma Kaarina Hyvärinen
6.8.1949, Helsinki

1971 Bachelor der humanistischen Wissenschaften, 1973 Magistra der Philosophie, 1982 Lizenziatin der Philosophie und 1989 Doktorin der Philosophie (Germanische Philologie), Universität Oulu

1999–2014 Professorin für Germanische Philologie, Universität Helsinki

1972–1978 Lehrbeauftragte für Germanische Philologie und 1974–1975 sowie 1977–1979 Assistentin, Universität Oulu
1975–1976 Lehrbeauftragte für Deutsche Sprache, Sprachzentrum der Universität Oulu
1975–1978 Lehrbeauftragte für Deutsche Sprache, Sommeruniversität Nordösterbotten, Oulu
1977–1979 Professorin für Germanische Philologie (25 %), Universität Oulu
1979–1984 Forschungsassistentin, Forschungsrat für Kultur und Gesellschaft der Akademie von Finnland
1983–1991 Assistentin für Germanische Philologie, Universität Helsinki
1985–1986 Stellvertretende Assistenzprofessorin für Germanische Philologie, Universität Helsinki
1989–1990 Forschungsstipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung, Universität Passau, Bundesrepublik Deutschland
1990–1991 Stellvertretende Assistenzprofessorin für Deutsche Sprache, Wirtschaftsuniversität Helsinki
1991–1992 Assistenzprofessorin für Deutsche Sprache, Universität Joensuu, Institut für Übersetzen und Dolmetschen in Savonlinna
1992–1998 Assistenzprofessorin/stellvertretende Professorin, Universität Jyväskylä
1996 (Sommersemester) Gastprofessorin für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Augsburg, Bundesrepublik Deutschland
1998–1999 Assistenzprofessorin/Professorin für Germanistik, Universität Turku
8/1999–7/2006 und 4/2007–12/2009 Leiterin des Germanistischen Instituts, Universität Helsinki

Veröffentlichungen, Forschungsprojekte und sonstige wissenschaftliche Tätigkeit

Forschungsschwerpunkte: pragmatische Phraseologismen, kontrastive Syntax, Wortbildung, Sprachlernen und -lehren sowie Übersetzung von Lyrik

Preise
2007 Jacob-und Wilhelm-Grimm-Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes
2011 Ehrenpreis für Betreuung der Magisterarbeiten, Institut für moderne Sprachen

Bild: Mika Federley
Autor: Irma Hyvärinen (Riitta-Ilona Hurmerinta, Hrsg.)
Übersetzer: Uwe Dirksen

Wortmonster, Untersuchung von Lyrikübersetzungen und komplexe Satzgefüge

Meine Doktorarbeit war eine valenztheoretische kontrastive Untersuchung zu finnischen und deutschen verbabhängigen Infinitiven. Als Untersuchungsmaterialien bekam ich postkartengroße bedruckte Zettel mit den Infinitiv enthaltenden deutschen Sätzen aus dem Korpus des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim und Endlosblätter mit Vorkommen des finnischen Infinitivs aus dem Korpus in Oulu (Nordfinnland) zur Verfügung gestellt. Im Vergleich dazu hat die Korpuslinguistik große Fortschritte gemacht.

Donau Dampfschifffahrtsgesellschaft Pöchlarn, Stadtarchiv.

Mein anderes langfristiges Interesse liegt in der Wortbildung, die auch zahlreiche interessante Aspekte für den Vergleich des Deutschen und Finnischen bietet. Als die Emeritierung am Horizont aufzutauchen begann und ich die Vorlesungsmaterialien für die Vorlesung über Wortbildung vorbereitete, nahm ich im Jahr 2013 an einer Flusskreuzfahrt auf der Donau teil und besuchte Pöchlarn, um ein Bild von der legendären Donaudampfschiff(f)ahrtsgesellschaft[1] für die Startseite meiner Unterrichtsmaterialien zu machen. Über den Namen des Unternehmens werden zahlreiche Sprachwitze gemacht, in denen behauptet wird, dass deutsche Komposita die längsten in der Welt seien. Fiktive Komposita sind u. a. Donaudampfschiffahrtsgesellschaftskapitänswitwenrenten­überschussausgleich und Donau­dampfschiffahrts­elektrizitäten­hauptbetriebswerk­bauunterbeamten­gesellschaft. In jedem Scherz steckt ein Körnchen Wahrheit: In der Verwaltungssprache gibt es tatsächlich solche Wortungeheuer wie Rindfleisch­etikettierungs­überwachungs­aufgaben­übertragungs­gesetz und Grundstücks­verkehrs­genehmigungs­zuständigkeits­übertragungs­verordnung. Wir Finnen sollten aber nicht davon erschreckt werden, denn die finnische Sprache ist auch dazu fähig.

Professor Dr. Jarmo Korhonen (http://375humanistia.helsinki.fi/de/humanistinnen-und-humanisten/jarmo-korhonen) hat mich dazu inspiriert, an einem Phraseologieprojekt teilzunehmen. Die Phraseologie untersucht feste Wortbindungen. Am Anfang lag mein Schwerpunkt – wie auch in dem ganzen Projekt – in der Untersuchung der Verbidiome im Finnischen und Deutschen. In den letzten Jahren habe ich mich auf sogenannte pragmatische Phraseologismen konzentriert, die sich in zwei Hauptarten einteilen lassen: einerseits sogenannte Routineausdrücke, wie z. B. Begrüßungsformeln, Entschuldigungen und andere Höflichkeitsphrasen, andererseits mit der Sprachverarbeitung verbundene sogenannte Gesprächsformeln. Beide Arten sind wichtig auch im Fremdsprachunterricht, in dem heutzutage die kommunikative Kompetenz betont wird.

Sehr fruchtbar ist die Zusammenarbeit mit Dr. Annikki Liimatainen gewesen, die früher in Helsinki lehrte und jetzt an der Universität Tampere als befristete Professorin für Deutsche Sprache, Kultur und Translation tätig ist. Anlässe zur Freude waren das von uns herausgegebene Werk „Beiträge zur pragmatischen Phraseologie“ (2011), die von Liimatainen und mir betreute Doktorarbeit Anna Ruusilas „Pragmatische Phraseologismen und ihre lexikografische Darstellung“ (2014) und auch die Tatsache, dass die von Leena Kolehmainen, Hartmut Lenk und Prof. Dr. Liisa Tiittula (http://375humanistia.helsinki.fi/de/humanistinnen-und-humanisten/liisa-tiittula) herausgegebene Festschrift (2014) zu meinem 65. Geburtstag die Überschrift „Kommunikative Routinen – Formen, Formeln, Forschungsbereiche“ trägt.

Irma Hyvärinen im September 2014 auf der EUROPRHAS-Konferenz in Paris: Zum gehäuften Gebrauch von phraseologischen Ungenauigkeitssignalen – Ein Beitrag zu gesprächsspezifischen Formeln im Deutschen. Fotografin: Mira Nyholm.

Seit meiner Kindheit hat mich die Welt der Gedichte fasziniert, und später ist es interessant gewesen, die Übersetzung von Lyrik zu untersuchen. In letzter Zeit haben die Gedichte Johannes Bobrowskis die Hauptrolle gespielt. Paavo Rintala hat Gedichte Bobrowskis nicht nur ins Finnische übersetzt, sondern sie auch collageartig in seinem Roman Sarmatian Orfeus (’Sarmatischer Orpheus‘) verwendet. Bobrowskis Spuren in Rintalas Text zu verfolgen ist wie eine spannende Detektivarbeit gewesen, wobei eine Zusammenarbeit – dieses Mal mit Prof. Dr. phil. Christoph Parry (Deutschsprachige Literatur, Universität Vaasa) – vergnüglich und nützlich gewesen ist. Sprach- und Literaturwissenschaft könnten mehr voneinander profitieren, als es heutzutage der Fall ist.

Keines von den oben genannten Forschungsgebieten werde ich auch im Ruhestand vollständig aufgeben. Mein neues Forschungsthema, komplexe Satzgefüge im Deutschen, ist eine Rückkehr zur Syntax. Die für Fremdsprachenlerner bekanntlich schwierige Endstellung des Verbs im deutschen Nebensatz behauptet sich nicht immer, wenn ein Muttersprachler spricht. Besonders interessant sind die Fälle, in denen in einen Nebensatz ein anderer Nebensatz eingebettet ist. Vor allem, wenn die unterordnenden Konjunktionen hintereinander stehen (z. B. dass wenn), können auch die Deutschen vergessen, dass das finite Verb am Ende des ersten dass-Nebensatzes steht. Das gilt ziemlich generell in der Umgangssprache, aber das Phänomen taucht auch ab und zu in Zeitschriftenartikeln auf. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass in Nachrichtenartikeln eine Aussage referiert und ein Teilzitat verwendet wird, sodass die Grenze zwischen direkter und indirekter Rede verschwimmt. Außerdem ist erwiesen, dass eine „abweichende“ Wortstellung solche pragmatische Funktionen hat, die die Struktur mit dem Verb am Ende nicht hat.

 

[1] Nach dem letzten Reform der Rechtschreibung darf das Wort Schifffahrt mit Dreifachkonsonanten geschrieben werden

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