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Kristiina Rikman

Kristiina Rikman
23.11.1947 Lahti

1972 Bachelor der humanistischen Wissenschaften (Finnische Sprache, Finnische Literatur, Phonetik), Universität Helsinki

Seit 1972 Freiberufliche Übersetzerin, Belletristik

1981–1989 Kursleiterin für Übersetzung in die finnische Sprache, Universität Helsinki

Eigene Übersetzungen von Kinder- und Jugendliteratur, Kriminalromanen, Reiseführern, Sachbüchern, Hörspielen und zeitgenössischer Romanliteratur aus dem Schwedischen und Englischen für mehrere verschiedene Verlage

Ehrenämter
1992–1993 im Vorstand des Verbandes der finnischen Übersetzer und Dolmetscher (SKTL)
1993–1995 Vorsitzende der literarischen Sektion des SKTL
1996–1998 und 1998–1999 Vorsitzende des SKTL
1994–1995 und 1996–1997 im Vorstand des Künstlerverbands Forum Artis ry, 1997–1998 Stellvertretende Vorsitzende, 1999–2004 und 2007 im Vorstand des Forum Artis
1999 Taisto II Kommission (vom Unterrichtsministerium eingesetzte Kommission zur Klärung der Beschäftigungsmöglichkeiten und sozialen Absicherung von Künstlern)
2001–2003 und 2004–2006 Stellvertretende Vorsitzende der Staatlichen Literaturkommission
2011 Jurorin des Finlandia-Literaturpreises

Preise und Auszeichnungen
1981 und 2008 Staatspreis
1981 und 1992 Einjähriges staatliches Künstlerstipendium
1984–1986 und 1995–1997 Dreijähriges staatliches Künstlerstipendium
2001–2005 Fünfjähriges staatliches Künstlerstipendium
1982, 1988, 1998, 2000, 2006 und 2008 Stipendium der Finnischen Kulturstiftung
1990 Silbernes Verdienstzeichen des SKTL
2000 Goldenes Verdienstzeichen des SKTL
1993 Stipendium der Stadt Helsinki
2004 Übersetzerpreis des WSOY Verlags
2008 Künstlerpension
2012 Erkki Reenpää-Übersetzerpreis
2014 Pro Finlandia-Medaille

Bild: Riitta Virtasalmi
Autorin: Kristiina Rikman (Tero Juutilainen, Hrsg.)
Übersetzer: Uwe Dirksen

„Eigene Schriftsteller/innen“

Ich bin schon so lange in dieser Branche tätig, dass ich mir die Freiheit nehmen darf, meine berufliche Laufbahn kritisch zu betrachten. Ich habe viele sogenannte eigene Schriftsteller/innen, von denen ich alles Mögliche an Werken übersetzt habe. Die bisherigen Werke des Amerikaners John Irving habe ich alle übersetzt; das neuste Romanmanuskript wartet noch auf die Übersetzung. Der Stil und die Thematik des Schriftstellers sind mir so vertraut geworden, dass ich täuschenderweise denke, ihn auch als Menschen besser zu kennen als ich es in Wirklichkeit tue, obwohl wir uns im Laufe der Jahre natürlich mehrere Male getroffen haben. Zu Irvings Erstlingsroman – Setting Free the Bears (dt. Lasst die Bären frei!) –, den ich ein paar Jahre zuvor übersetzte, schrieb ich den Epilog. Seit der Übersetzung von The World According to Garp (dt. Garp und wie er die Welt sah) war schon ein Vierteljahrhundert vergangen. Den Erstlingsroman wollte ich auch übersetzen, um das Œuvre des Schriftstellers zu vervollständigen. Im Erstlingsroman trugen alle Themen des Erfolgsautors Knospen – das waren gerade die Themen, die er später in seinem umfangreichen Werk variierte.

John Irving und die Übersetzerin seines Vertrauens irgendwann in den 1980er Jahren.

Noch eine „meiner eigenen“ Schriftstellerinnen ist Alice Munro. Auch mit ihr habe ich schon 30 Jahre lang zusammengearbeitet. Die Arbeit mit den raffinierten und durchdachten Geschichtensammlungen empfand ich als sehr angenehm. Ich bin dankbar dafür, dass ich jetzt, wo ich reichlich an Lebenserfahrung gesammelt habe, ihre Geschichten, die scharfsinnig ausgedachte Wendepunkte aus dem Leben einer Frau beschreiben, übersetzen darf. Ich traf Alice Munro 1986 auf dem Literaturfestival in Toronto, nachdem ich schon zwei ihrer Geschichtensammlungen übersetzt hatte. Neulich fand ich ein Taschenbuch, auf dessen erste Seite Munro eine Widmung geschrieben hatte: „Good luck, Kristiina!“ Munromäßig trockener Humor. Munro hat erzählt, dass „sie in ihren Kurzgeschichten wie in einem Haus spaziert, dabei die Gegenstände dort berührt und deren Plätze vertauscht“. Ein Übersetzer bzw. eine Übersetzerin folgt den Fußstapfen eines Schriftstellers bzw. einer Schriftstellerin und probiert und schmeckt dabei die verschiedenen Möglichkeiten auf dieselbe Weise ab. Visualität ist mir als Übersetzerin ein genauso wichtiges Element wie Hörerlebnisse. Das Theaterhobby meiner Jugend ist mir eine große Hilfe beim Gestalten der Figuren im Buch.

Eine neue, über das Leben einer Frau schreibende Bekanntschaft ist die Schriftstellerin Siri Hustvedt, deren Romane urbane Beschreibungen der heutigen amerikanischen Realität und des Lebens einer Frau bieten. Hustvedt war eine Schriftstellerin, die ich zunächst vergeblich mehreren Verlagen anbot, bis ich schließlich bei Otava Glück hatte. Hustvedts Art, Kunst, Kunstgeschichte und detaillierte Beschreibungen über das Machen von Kunst in ihren Werken unterzubringen, spaltet die Meinungen der Leserschaft – mir sagt Hustvedts Ästhetik zu.

Der dritte amerikanische Schriftsteller, den ich schätze, ist Philip Roth. Nachdem einst der Leistungsnachweis des Satzanalyse-Kurses in mein Studienbuch eingetragen worden war, habe ich mir selbst geschworen, dass ich nie mehr etwas analysieren werde. Doch als ich die mehrere Seiten langen Sätze in Roths American Pastoral (dt. Amerikanisches Idyll) auflöste, musste ich meine Worte zurücknehmen und nach meinem Bleistift greifen! Auch später hatte die Grammatik keine Zeit, in meinem Regal zu verstauben. Übersetzungsarbeit ist sehr konkretes Zerlegen und Neuzusammensetzen. Das Gebäude des Ausgangstextes muss so an einem neuen Ort und in einer neuen Sprache wiederaufgebaut werden, dass es nicht einstürzt und der Fugenmörtel nicht sichtbar ist. Roths Trilogie war eine tiefgehende Reise in die amerikanische Gesellschaft aus dem Blickwinkel eines Juden.

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