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Edvard Westermarck

Edvard Alexander Westermarck
20.11.1862, Helsinki – 3.9.1939 Tenhola

1886 Magister, 1889 Lizenziat, 1890 Doktor der Philosophie, Kaiserliche Alexander-Universität

1918–1932 Professor der Philosophie; 1918–1921 Rektor der Åbo Akademi
1904–1907 Lektor für Soziologie; 1907–1930 Professor für Soziologie an der London School of Economics
1890–1906 Dozent für Soziologie; 1906–1918 Professor für Praktische Philosophie an der Kaiserlichen Alexander-Universität

1890–1895 Kurator; 1913–1918 Inspektor der studentischen Landsmannschaft Uusimaa

Auszeichnungen
1932 Ehrendoktor der Philosophie, Uppsala universitet
1928 Ehrendoktor der Rechtswissenschaft, Glasgow University 1928
1912 Ehrendoktor, Aberdeen University 1912
1925 Kommandeur II. Klasse des Schwedischen Nordstern-Ordens
1919 Kommandeur II. Klasse des Finnischen Ordens der Weißen Rose
1918 Finnischer Orden des Freiheitskreuzes I. Klasse
1911 Medaille III. Klasse des Russischen Ordens der Heiligen Anna

1940 Gründung der Westermarck-Gesellschaft

Bild: Wikimedia
Autor: Tomas Sjöblom
Übersetzer: Uwe Dirksen

 

Religionskritik und radikale Toleranz

Neben seinen rein akademischen Verdiensten ist Edvard Alexander Westermarck dafür bekannt, dass er ein für seine Zeit radikaler Freidenker war. Während seiner Studienzeit in Helsinki in den 1880er Jahren kam er durch die Studentenbewegung mit starken Strömungen des Realismus, der Evolutionstheorie und  der Kritik an den christlichen Institutionen in Kontakt. Diese Ideen waren für sein Lebenswerk und für seine ideologische Orientierung zentral.

Westermarck lehnte das Christentum mit der Begründung ab, es sei wissenschaftlich unbegründet. Zusammen mit seinem Freund Rolf Lagerborg gründete er 1905 eine studentische Verbindung namens Prometheus. Eines der wichtigsten Ziele der Verbindung war, die Religionsfreiheit in Finnland zu fördern. Mit Westermarck als Vorsitzendem forderte die Verbindung unter anderem die Trennung von Kirche und Staat, die Anerkennung der Zivilehe und ein Ende der Eidespflicht in Gerichtsverhandlungen.

Die Prometheus-Verbindung war nur für eine kurze Zeit aktiv. Bis Mitte der 1910er Jahre hatte ihre Wirksamkeit fast aufgehört, und nach dem finnischen Bürgerkrieg im Jahre 1918 wurde sie aufgelöst. Die Staatsbehörden hatten ihre Tätigkeit für propagandistisch gehalten. Heutzutage existiert jedoch ein neuer Freidenkerverband an der Universität Helsinki unter dem gleichen Namen, nach dem auch die religiös und politisch ungebundenen Prometheus-Lager benannt werden (http://www.protu.fi/english). Diese Lager dienen als Alternative für die Konfirmationslager der evangelisch-lutherischen Kirche, an denen die meisten finnischen Jugendlichen teilnehmen.

Als einer der ersten Akademiker forderte Westermarck auch Toleranz gegenüber Homosexuellen und anderen, die in Bezug auf die sozialen Normen der Zeit sexuell abwichen. Während seiner Zeit in London war er in zwei Frauenorganisationen aktiv und zeigte schon früh Interesse an Tier- und Naturschutz. Diese damals sogar radikal toleranten Stellungnahmen von Westermarck hatten ihren Ursprung in der Religionskritik, die er schon als junger Mann entdeckt hatte.

Westermarcks letztes große Werk, Christianity and Morals (1939), war ein Resümee seiner Ansichten über das Christentum und dessen Lehren. Das zentrale Thema des Buchs ist es, die vorherrschende Idee, dass der christliche Glaube zur moralischen Entwicklung geführt hätte, in Frage zu stellen. Die Religionskritik des Werks war für die damalige finnische Gesellschaft zu radikal, und es erschien ungekürzt auf Finnisch erst im Jahre 1984. Westermarcks Schlussfolgerung war unverblümt:

„Es ist behauptet worden, dass […] alle Tugend und gutes Verhalten der Menschheit der christlichen Religion ihre Entstehung zu verdanken habe, dass sie die Hauptquelle der moralischen Entwicklung Europas sei. Ich habe den Einfluss, den das Christentum sowohl auf die Moral im Allgemeinen als auch auf die unterschiedlichen Zweige des sozialen und moralischen Lebens hat, untersucht und bin zu anderen Schlüssen gekommen.“

 

Bild: WikimediaCommons.​
Bild: WikimediaCommons.​

Quellen:

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