Zurück

Pirkko Nuolijärvi

Pirkko Sinikka Nuolijärvi
19.7.1949, Artjärvi

1972 Magister der Philosophie, 1985 Lizenziat und 1986 Doktor der Philosophie (Finnische Sprache), Universität Helsinki

1971−1972 Wissenschaftliche Hilfskraft, Rückläufiges Wörterbuch, Akademie von Finnland
1973−1976 Archivarische Assistentin, Wörterbuchstiftung
1976−1981, 1986 Forscherin, Forschungszentrum für die Sprachen Finnlands
1982−1985 Projektforscherin, Projekt Migrantensprache, Akademie von Finnland
1986−1987 Stellvertretende Universitätslektorin, Universität Uppsala, Institut für Finnougristik
Seit 1987 Privatdozentin für Finnische Sprache, Universität Helsinki
1987−1988 Stellvertretende Assistenzprofessorin für Finnische Sprache, Universität Helsinki
1993−1994 Stellvertretende Professorin für Finnische Sprache, Universität Helsinki
1989−1998 Assistenzprofessorin für Finnische Sprache und Kommunikation, Wirtschaftsuniversität Helsinki
Seit 1998 Professorin, Leiterin des Instituts für die Sprachen Finnlands

Preise und Auszeichnungen
1977 Preis der E. A. Saarimaa-Stiftung
1987 Dissertationspreis der Stiftung August Ahlqvist, Kai Donner, Artturi Kannisto ja Yrjö Wichmann
2000 Preis des Finnischen Kulturfonds
2003 Orden des Svenska Finlands folkting  (Finnlandschwedischen Volksthings)
2005 Ritterkreuz I. Klasse der Weißen Rose von Finnland
2006 Ehrendoktor der Humanistischen Fakultät der Universität Vaasa
2009 Medaille des estnischen Ministeriums für Unterricht und Wissenschaft
2012 Brobyggarpriset (Brückenbilderpreis) der Svenska Folkskolans Vänner

Bild: Otso Kaijaluoto
Autor: Pirkko Nuolijärvi (Riitta-Ilona Hurmerinta, Hrsg.)
Übersetzer: Uwe Dirksen

Vielschichtige Sprache

Die Voraussetzung für die Lebenskraft einer Sprache ist die Vielgestaltigkeit und die Einflüsse von verschiedenen Seiten. Inmitten von neuen Wörtern und anderem sprachlichen Wandel testet die Sprachgemeinschaft ihre Sprache und Kultur ständig.

Man fragt einen Sprachforscher oder eine Sprachforscherin oft besorgt nach dem Sprachverfall. Etwas Anderes und Neues wird oft als Verfall oder zumindest als Verarmung abgestempelt, obwohl z. B. die Übernahme eines neuen Lehnwortes in eine Sprache ganz notwendig oder der Wandel einer Form selbst folgerichtig wäre.

Ich erinnere mich an keine Situation, wo jemand sich darüber geärgert hätte, dass es so viel Formbeständiges und Unveränderliches in einer Sprache gibt. Zum Beispiel haben viele Eigenschaften der finnischen Morphologie oder viele gewöhnliche Wörter der finnischen Sprache sich kaum gewandelt. Seit Jahrtausenden und Jahrhunderten hat die Sprachgemeinschaft dieselben Zahlwörter, dieselben Bezeichnungen für Tiere und wichtige Gegenstände ertragen.

Die SprecherInnen einer Sprache bemerken gewöhnlich solche einzelnen Spracheigenheiten oder Wörter, die sich genügend eingebürgert haben, so dass sie ausreichend oft gehört werden. Die SprecherInnen notieren sie oder ärgern sich sogar darüber. Was andere irritieren kann, kann die SprachforscherInnen wiederum inspirieren. Die ForscherInnen beginnen zu fragen, warum solche Formen verwendet werden, was ihr Zweck in der Interaktion ist, ob es regionale oder soziale Unterschiede gibt, welche Ursachen sie haben und so weiter. Der Ausgangspunkt in dem Fall ist, dass neue alternative Ausdrücke oder Formen kein Leben entfalten können, wenn es keinen Bedarf für sie in der Sprachgemeinschaft gibt. Auch wenn sie kurze Zeit leben würden, würde ihr Schicksal sein, in den Hintergrund gedrängt zu werden, wenn kein Wille vorhanden ist, sie langfristig zu verwenden. Die SprachforscherInnen suchen oft nach innersprachlichen Gründen dafür, warum irgendein Phänomen allgemeiner wird.

Pirkko Nuolijärvi hält eine Gastvorlesung an der Universität Tokio, 2000 (Fotograf unbekannt)

Den Sprachgebrauch kann man für eine Gesamtheit halten, in der kein Wandel überflüssig ist: Wenn damit begonnen wird, neue Formen oder Wörter zu verwenden, gibt es einen Ort für sie; sie werden nicht leben, wenn sie in der Sprachgemeinschaft nicht notwendig sind. Damit können verschiedene Formen oder Wörter, die einen Sprecher oder eine Sprecherin irritieren können, für andere erforderlich sein. Die Tatsache, dass Jugendliche solche eigenen Wörter und Formen verwenden, die ältere Leute nicht verwenden, entsteht aus den sozialen und gemeinschaftlichen Bedürfnissen der Jugendlichen, genauso wie die Fachausdrücke und Fachwörter der Erwerbsbevölkerung.

In der Muttersprache fühlen wir uns wie zu Hause und MuttersprachlerInnen können gerade die Eigenschaften und Abwandlungen der eigenen Sprache am besten notieren. In Hinsicht auf die eigene Muttersprache sind wir auch strenger als in Bezug auf andere Sprachen. Die Vielfalt der eigenen Muttersprache hat jeder verinnerlicht, besser als die der anderen Sprachen, unabhängig davon, wie sprachkundig man ist.

Wenn eine Sprache sich nicht wandeln und neue Einflüsse bekommen würde, würde sie erstarren, einseitiger werden und möglicherweise mit der Zeit absterben. Darum ist jede neue Form und jedes neue Wort so willkommen. Die Muttersprache ist lebendig, wenn um sie jederzeit gegensätzliche Kräfte kreisen, in der Nähe und in der Distanz, lebenskräftig und kraftvoll. Der Geschmack des Verfalls wäre es erst dann da, wenn die Sprache in die Vitrine gelegt und von außen geschaut würde, wie rein und unberührt sie ist. Der Verfall bleibt aus, wenn wir die ganze Zeit eine vielgestaltige Sprache verwenden, der es nicht an Dimensionen mangelt.

Zurück