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Georg Gimpl

26.05.1949, Abtenau (Österreich) – 10.10.2014, Linz (Österreich)

1975 Magister der Philosophie (Germanistik, Pädagogik), 1980 Doktor (Germanistik und Psychologie), Universität Salzburg (Österreich)

1975–2003 Lektor für Deutsche Sprache und Österreichische Literatur (Festanstellung 1981), Universität Helsinki
1991 Dozentur für Ideen- und Geistesgeschichte, Universität Oulu
1993–1995 Stellvertretender Assistenzprofessor für Germanische Philologie, Universität Helsinki
2004–2014 Universitätslektor, Universität Helsinki

Forschungsschwerpunkte
Philosophiegeschichte, besonders Geschichte der österreichischen Philosophie
Österreichische und deutschsprachige Literatur
Geschichte der deutschsprachigen Kultur in Böhmen, einschließlich der jüdischen
Virtuelles Dorfmuseum seines Heimatortes Russbach

Veröffentlichungen

Foto: Hartmut Lenk
Arbeitsgruppe: Hartmut Lenk, Marja Ursin, Valtteri Hyvärinen, Jouni Heikkinen, Helena Leheckova, Susanne Frejborg, Kaarle Holmberg, Faruk Abu-Chacra, Ove Knekt, Mark Shackleton, John Calton, Liisa Tiittula, Andrew Chesterman, Anni Aarinen (Kaija Hartikainen, Hrsg.)

Übersetzer: Uwe Dirksen

 

Ein Student erinnert sich

Zunächst: Wer bin ich; was soll ich machen?

Nun, von Gnaden meines finnischen Arbeitgebers bin ich, bis zu meinem Rausschmiss, Lektor für deutsche Sprache und österreichische Literatur.

So lautete der Anfang des Interviews, das mein Kommilitone Mikael Bertus und ich im Frühjahr 2014 mit Georg Gimpl führten.

An dem Tag, als Georg Gimpl so plötzlich verstarb, war eine Gruppe von Germanistikstudierenden auf einer Exkursion zur Frankfurter Buchmesse. Und wie immer, wenn Kommilitonen sich versammeln, war oft die Rede von unserem Studium und Fach, wobei auch Georg Gimpl mehrmals erwähnt wurde, obwohl wir vor dem letzten Reisetag keine Ahnung davon hatten, was passiert war. Eigentlich hat man immer, wenn Germanistikstudierende der Universität Helsinki sich versammelten, von diesem Mann gesprochen, weil jeder von uns – auch diejenigen, die ihn nur einmal getroffen hatten – eine Meinung zu ihm hatte. Er hatte nämlich die herausragende Gabe, bei seinen Mitmenschen einen großen Eindruck zu hinterlassen, der auch von Dauer blieb. Ich glaube, dass unser Interview etwas davon deutlich gemacht hat, warum ihm dies gelungen ist. Er hat nämlich die Ziele seiner Unterrichtstätigkeit selbst wie folgt gegliedert:

Primär sähe ich mich als Lektor und Lehrer dabei liebend gerne als:

kompetent in der Sache;

Alle, die mit Georg Gimpl entweder als Kollege oder als Studierende zusammengearbeitet haben, teilen gewiss die Meinung, dass er sowohl als Lehrer wie auch als Wissenschaftler sehr kompetent war. Vor allem über Literatur hat er einfach alles gewusst – und wenn doch einmal nicht, ließ ihm das keine Ruhe, und er hat sich sofort darüber informiert. Nein, er war nicht nur kompetent, sondern wie ein Supermann der Germanistik. Darüber besteht kein Zweifel.

begeisterungsfähig: Neugier und Interesse für das Fachgebiet weckend;

sowie auch hinsichtlich der sozialen Kompetenz: unterrichtsdidaktisch wie in der Performance/Inszenierung hoffentlich kein allzu gestandener Langweiler. Unterrichten sollte doch auch immer unterhalten.

Er hat wahrscheinlich vielen Studierenden ein bisschen Angst gemacht – zumindest den Studienanfängern, aber vielleicht auch einigen von den älteren Studierenden. Für sie erschien er als ein Mann, der als einziger in unserer Fachgruppe verlangte, dass man ihn siezt, der mit hohem Tempo in seiner deutlich österreichischen Sprachfärbung so vorgetragen hat, dass viele von seinen Zuhörern ihm schon nach dem ersten Satz nicht mehr folgen konnten, und der in seinem Alter immer noch über endlose Mengen sowohl an Energie als auch an sehr starken Meinungen verfügte, die er ohne Hemmungen auch äußerte. Hinter diesem ersten Eindruck entdeckte man aber bald einen sehr leidenschaftlichen Menschen, der Wissenschaft, Forschung und Literatur geliebt hat und der auch nach 40 Jahren Arbeit in seinem Beruf immer noch viele Gedanken und etwas zu sagen hatte – aber keine Absicht, das Tempo zu drosseln.

Bei seinem Unterricht hat Georg Gimpl vor allem gewollt, dass auch die Studierenden an der Schönheit der Literatur und Wissenschaft teilhaben können, wie eben auch er. In der Tat hat er dies z.B. so umgesetzt, dass er seine Vorlesungen so interessant und unterhaltsam wie möglich, wie eine Art Performanz, zu gestalten versuchte. Jeder von uns, der zumindest eine von seinen Vorlesungen gesehen (oder besser: erlebt) oder mit ihm gesprochen hat, hat seine eigene Gimpl-Anekdote: Wie er mitten in seiner Vorlesung auf endlose Exkurse über was ihm auch gerade eingefallen ist losgelegt und dann noch unerwartet auf einen zufälligen Zuhörer mit dem Finger gezeigt und ihn „Verstehen Sie?“ gefragt hat. Oder wie er sich so vollkommen z.B. in Heinrich Heines „Die schlesischen Weber“ einfühlte, dass er sogar zwei Brillen durch die Luft schwang. Und wenn man die Möglichkeit hatte, sich mit ihm auch nur kurz über Literatur zu unterhalten, wurde er plötzlich zu einem Gesprächspartner und Freund, der nicht nur jeden Teilbereich der Literatur erklären und tiefgründlich analysieren, sondern auch die Meinungen und Gedanken des anderen Gesprächspartners wahrnehmen und würdigen konnte.

Außerdem wollte dieser Supermann der Wissenschaft immer völlig neue Kurse über interessante und besondere Themen anbieten, was ihm auch eine Ehrensache bis zu seinem Tod war, obwohl er vorhatte, bald in Rente zu gehen. Und für die Rentenzeit hatte er natürlich auch ein ehrgeiziges Riesenprojekt: Er wollte sein liebes Heimatdorf Russbach in Form eines digitalen Museums verewigen.

Und sollte ich vor allem die Studierenden ernst nehmen, um nicht zu sagen: lieben.

Ich war in der Proseminargruppe, die seine allerletzte sein sollte. Am Anfang war ich gar nicht sicher, dass ich auch etwas Wissenschaftliches schreiben könnte, aber Georg Gimpl war immer einfach so begeistert, dass seine Energie und Begeisterung auf uns übersprungen ist. Seine Kritik war immer scharf, aber immer begründet und zweckentsprechend, und trotz unserer Probleme am Anfang hat er uns als neue Wissenschaftler inspiriert und hat uns zu fantastischen Ergebnissen geführt. Dafür bin ich für immer dankbar.

Zumindest messe ich selber mein Gelingen und Misslingen an diesen Parametern meines Wunschkonzerts.

Ich glaube, dass meine Kommilitonen sich meiner Meinung anschließen, wenn ich sage, dass Georg Gimpl seine Ziele erreicht hat. Er war wie die Verkörperung der Germanistik – all das, was unser Fach und unsere Wissenschaft an sich am meisten auszeichnet, nämlich pure Begeisterung, Neugier, Können und – Liebe. Niemand hätte vor Georg Gimpl Angst haben sollen. Obwohl es vielleicht ein bisschen gedauert hat, dass man ihm folgen konnte, war es unbedingt die Mühe wert. Er wollte uns so begeistern, weil er selbst so begeistert war.

Bild: Hartmut Lenk
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