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Arto Mustajoki

Arto Samuel Mustajoki
20.12.1948, Tampere
vier Kinder, 11 Enkelkinder

1970 Magister der Philosophie (Germanische Philologie) und 1981 Doktor der Philosophie (Russische Sprache), Universität Helsinki

1982–2016 Professor für Russische Sprache und Literatur, Universität Helsinki
1992–1998 Prorektor, Universität Helsinki
1988–1992 und 2014–2016 Dekan, Humanistische Fakultät der Universität Helsinki
2001–2006, 2010– Vorstandsmitglied, 2010–2014 Vorsitzender der Akademie von Finnland
2006–2008 Stellvertretender Vorsitzender, 2008–2010 Vorsitzender der Finnischen Akademie der Wissenschaft
2011–2015 Mitglied des Forschungs- und Innovationsrats
Seit 2003 Vizepräsident der Internationalen Assoziation der Russischlehrer

1990–1991 Forscher an der Universität Cambridge
1971–1973 Doktorand an der Universität Leningrad
Im Laufe der Jahre Gastvorlesungen an 12 ausländischen Universitäten

Neue Publikationen

Publikationen bis 2008

Die wichtigsten Publikationen im PDF-Format

Die am häufigsten zitierten Publikationen

Mustajoki – Blog von Arto Mustajoki

Curriculum Vitae

Auszeichnungen
1990 Orden der Völkerfreundschaft (Gorbatschow)
1992 Komturkreuz des Löwen von Finnland
1995 Ehrendoktorwürde der Russischen Akademie der Wissenschaften
1999 Ehrenprofessor der Staatlichen Universität Moskau
2010 Orden der Freundschaft (Medwedew)
2013 Kommandeur des Finnischen Ordens der Weißen Rose
2013 Staatspreis für Informationsveröffentlichung für das Buch Kevyt kosketus venäjän kieleen (‚Eine leichte Berührung mit der russischen Sprache‘)

Foto: Veikko Somerpuro
Text: Arto Mustajoki (Riitta-Ilona Hurmerinta, Hrsg.)
Übersetzer: Uwe Dirksen

Warum verstehen die Menschen einander nicht?

Bild: Tatjana Larina.

Es wird behauptet, das größte Problem der Welt sei, dass die Menschen einander nicht verstehen. Dies führt zu kleinen Versehen im Alltagsleben und zu ernsten Konflikten zwischen Nationen. Unterschiede in den Weltanschauungen erhöhen das Risiko von Missverständnissen. Deshalb ist der interkulturelle Dialog eine Frage des Könnens. Jedoch kommt es während eines Alltagsgesprächs mit Bekannten häufiger zu Missverständnissen als bei der Kommunikation mit Ausländern. Außer in der Sprache sind Erklärungen in den Motiven des menschlichen Verhaltens und den Begrenzungen der Gehirnfunktionen zu suchen.

Als ich mich mit dem Gelingen von Kommunikation beschäftigte, habe ich die folgende grafische Darstellung benutzt:

Jede Phase der Interaktion hat ihre eigenen Risiken aus der Perspektive des Gelingens der Kommunikation:

  1. Der Sprecher legt die Wirklichkeit falsch aus (sieht oder hört etwas, was nicht wahr ist).
  2. Der Sprecher will einen Gedanken ausdrücken, der auch ihm nicht klar ist.
  3. Der Sprecher kann seinen Gedanken nicht klar genug ausdrücken.
  4. Der Sprecher spricht leise oder undeutlich (murmelt, stottert, verschluckt einen Teil seiner Rede).
  5. Es gibt Störungen in der Sprechsituation (Straßenlärm, Lärm in der Disko oder auf einem Empfang, Staubsaugerlärm, Störgeräusche beim Telefonieren o. Ä.).
  6. Der Hörer hört falsch.
  7. Der Hörer versteht die Botschaft falsch.
  8. Der Hörer verbindet die Nachricht mit einem falschen Objekt (es wird eine andere Straßenbahn oder Person, ein anderes Geschäft, ein anderer U-Bahn-Eingang oder eine andere Brotsorte gemeint).

Alle Phasen des Prozesses werden beeinflusst von der mentalen Welt des Sprechers oder Hörers. Manche Wörter können einem unbekannt sein (zum Beispiel Namen von Menschen, Gegenständen, Vögeln oder Begriffen). Der Hörer kann auch andere Vorstellungen davon haben, was manche Wörter wie zum Beispiel Freiheit, Gleichheit, Urlaub, Großmutter oder Stadt bedeuten. Die mentale Welt der Menschen besteht aus Sprachkenntnissen, dem Kulturwissen und Werten – aus allen Erfahrungen, die die Menschen während ihres Lebens gesammelt haben.

Die neuesten Erfahrungen spielen eine besondere Rolle. Deswegen wird der Satz Die Mutter war plötzlich weg unterschiedlich ausgelegt, je nachdem, ob der Hörer gerade seine Mutter besucht hat oder ob er einen Ikea-Tisch zusammengebaut hat.

Durch die Mehrdeutigkeit von Sätzen entstehen keine Probleme für das Gelingen der Kommunikation, wenn es bezüglich eines Themas in der mentalen Welt des Sprechers und des Hörers keine Unterschiede gibt. Fast alle können den Satz Auf dem Markt werden weiße Hemden und Krawatten verkauft in gleicher Weise verstehen: Die Krawatten müssen nicht unbedingt weiß sein. Oft sind aber auch verschiedene Interpretationen möglich, wie im Satz Auf dem Markt werden schwarze Anzüge und Schuhe verkauft. Undeutlichkeit gibt es auch bei Sätzen wie Ich komme heute Abend bei dir vorbei – meint der Sprecher, er komme dann um sieben oder um zehn Uhr vorbei?

Im Grunde vermuten die Leute, dass andere denken wie sie (sog. falscher Konsensus-Effekt, common ground fallacy). Solche Egozentrik ist einer der Hauptgründe für Missverständnisse. Um diese zu vermeiden, muss der Sprecher den Hörer in Rechnung stellen (Adressatenzuschnitt, recipient design).

Das Recipient design kann auch misslingen wegen des großen Bedürfnisses des Sprechers, etwas zu sagen, was er für sich selbst oder für seine Selbstdarstellung für wichtig hält. Gleichwohl führt die Egozentrik des Sprechers viel zu leicht zu einem entgegengesetzten Endresultat als dem, was der Sprecher beabsichtigt hat: Durch einen übertriebenen Eifer, etwas Kluges zu sagen, wird der Sprecher ein schlechter Gestalter seiner Rede und ein noch schlechterer Hörer.

Bild: Wikimedia Commons.

Auch die Grenzen der Funktion des menschlichen Gehirns haben Einfluss auf Kommunikationssituationen. Um nicht zu ermüden, muss der Mensch kognitive Anstrengung vermeiden. Dies zeigt sich als schlechte Konzentration in Kommunikationssituationen: Der Sprecher schafft es nicht, den Hörer zu berücksichtigen, und der Hörer denkt seinerseits an ganz andere Dinge.

Zwei englischsprachige Weblogs über Kommunikation und Adressatenzuschnitt:

Englischsprachige Artikel über Misskommunikation:

Russischsprachige Artikel über коммуникативная неудача:

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